Die 5. Europeada ist ein Fest der Vielfalt und des Fußballs

„Am eigenen festhalten, für anderes offen sein“ 

von Ralf Lorenzen

Während die ersten Teams von der UEFA-Fußballeuropameisterschaft in Deutschland bereits wieder abreisen, warten 721 Spielerinnen und Spieler aus 33 Mannschaften in zwölf Ländern sehnsüchtig darauf, dass ihreEuropameisterschaften endlich beginnen. Dazu gehören auch die Angehörigen der Volksgruppe der Roma in Rumänien. Sie wollen ihre Mannschaft „zu einer Motivationsquelle für alle jungen Menschen“ ihrer Minderheit machen, schreiben sie auf Facebook. Das Team vereine Spieler, „die mit dem Ball schlafen, mit dem Ball aufwachen, die den Fußball leben, essen, atmen und schwitzen, die aber durch verschiedene Umstände machtlos und allein mit ihrem Traum sind“. 

Der Traum wird wahr

Wenn am 29. Juni die 5. Europeada in Schleswig feierlich eröffnet wird, beginnen alle 33 Teams ihren Traum vom großen Fußballfest gemeinsam zu leben. Für eine Woche ist dann die Fußballeuropameisterschaft der autochthonen Minderheiten in der deutsch-dänisch-friesischen Grenzregion zu Gast. Ab Sonntag rollt der Ball in 14 Stadien „between the seas“ – zwischen Apenrade und Eckernförde, zwischen Tönning und Sonderburg. 

„Es wird wie 2008 in Graubünden, 2012 in der Lausitz, 2016 in Südtirol und 2022 in Kärnten nicht nur spannende Spiele und viele Emotionen geben“, sagte Gösta Toft, Nordschleswiger und Vizepräsident der FUEN, bei der Gruppenauslosung im Dezember. „Es wird ein Fest der Vielfalt“.  Von Beginn an richtet die die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) als größter Dachverband der autochthonen nationalen Minderheiten dieses einzigartige Turnier aus.

Zwei Länder – vier Minderheiten

Zum ersten Mal sind in diesem Jahr zwei Länder und vier Minderheiten gemeinsame Gastgeber des Turniers: die Deutschen in Dänemark, die Dänen in Deutschland, die Nordfriesen sowie die deutschen Sinti und Roma. Ihre Zusammenarbeit steht seit Jahrzehnten sinnbildlich dafür, „dass es kein Widerspruch ist an seiner eigenen Sprache, Identität und Kultur festzuhalten – und offen anderen gegenüber zu sein“, sagt Rasmus Meyer vom Südschleswigschen Verein (SSF), der kulturellen Hauptorganisation der dänischen Minderheit in Deutschland.

Während des Turniers haben inklusive der Betreuer und Betreuerinnen etwa 1.000 Menschen die Möglichkeit, andere Minderheiten kennenzulernen.  „Wenn wir in die Welt schauen, ist es leider wichtiger denn je, dass solche Events stattfinden“, sagt Thore Naujeck, Abteilungsleiter des Deutschen Jugendverbandes für Nordschleswig. „Für Minderheiten bietet die Europeada die Möglichkeit, zusammenzukommen, sich auszutauschen und voneinander zu lernen.“  

Hochklassiger Amateurfußball

Außer einem Fest der Vielfalt ist die Europeada auch ein Fest des Fußballs. Die insgesamt 80 Spiele versprechen hochklassigen Amateurfußball. Die Teams bereiten sich monatelang auf das Turnier vor und werden alles daransetzen, ihre Minderheit würdig zu vertreten.  

Die Zahl der Männerteams ist seit 2008 von 17 auf 24 Mannschaften gestiegen. Neu dabei sind die furlanische Auswahl aus Friaul in Italien, das Team der Deutschen in Tschechien und die Vertretungen der bulgarischen Minderheit sowie der Roma aus Rumänien.  Auch das Frauenturnier ist seit der Premiere 2016 stetig gewachsen und findet erstmals mit neun Teams statt.  Neu dabei sind die Gastgeber aus Nord- und Südschleswig  sowie die Deutschen in Polen, die als FC Oberschlesien auflaufen.

Pionierinnen und Favoriten

Pionierinnen des Frauenfußballs bei der Europeada waren einst die Nordfriesinnen. Als ihre Volksgruppe bei der Erstausgabe des Turniers 2008 keine Männermannschaft stellen konnte, schickte sie eine Frauenauswahl. „Die Herausforderung, Nordfriesland zu vertreten, stand im Vordergrund“, sagt Frank Nickelsen, Geschäftsführer des Friesenrates, Sektion Nord. „Zwar waren die sportlichen Ergebnisse niederschmetternd, dafür erlangten die Friesinnen eine kaum für möglich gehaltene Aufmerksamkeit.“ Berichte in ausländischen Fernsehanstalten und in den Tagesthemen der ARD zeigten, welche Chancen die Europeada für die Öffentlichkeitsarbeit bietet. „Im Zentrum steht aber, für seine Region und seine Identität einzustehen“, sagt Nickelsen.  

Während die sportliche Leistungsfähigkeit der Neulinge schwer einzuschätzen sind, gibt es unter den Stammgästen klare Favoriten. Bei den Männern haben die Südtiroler bislang alle Turniere gewonnen und sind neben den Slowenen in Kärnten und Okzitaniern in Frankreich  wieder hoch einzuschätzen. Auch bei den Damen sind die zweimaligen Siegerinnen aus Südtirol sowie die Titelverteidigerinnen vom Team Koroška aus Kärnten wieder in der Favoritenrolle. 

Die dritte Halbzeit – Public Viewing und viel Kultur

Abends fiebern die Teams beim gemeinsamen Public Viewing in Quartieren mit ihren jeweiligen Heimatländern bei der großen EM mit. Nach Abschluss der Vorrunde ruht der Ball am Mittwoch für einen Tag. Dann lernen sich die 24 Minderheiten beim Kulturtag auf dem Knivsberg in Nordschleswig noch von ganz anderen Seiten kennen.  

„Deswegen finde ich die Europeada so schön: Es geht um die Sache, es geht um Leidenschaft für den Fußball, es geht um Fairness und Toleranz und darum, dass jeder ein Teil des Ganzen ist“, sagt Europeada-Botschafter Mads Buttgereit, der als Südschleswiger selbst in zwei Kulturen aufgewachsen ist. Als Co-Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft ist Buttgereit im Moment allerdings nicht zwischen Apenrade und Eckernförde, sondern zwischen München und Berlin unterwegs.