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EUROPEADA: Wenn Fußball Menschen verbindet

Parallel zur Fussballübertragung im Fernsehen mit Millionen Zusehenden, erfolgte der Anpfiff für die EUROPEADA. Zum fünften Mal trafen sich die europäischen Minderheiten zu einem Wettstreit in Sachen Fußball: 27 Männer- und 9 Frauenteams. Mit allem, was dazugehört: Medaillen (die eigens aus eingesammeltem Meeres-Plastik recycelt wurden), Fanschals und-trikots, einem eigenen Ball und vollen Stadien mit bis zu 1.200 Fans. Was klingt, als ob die Kleinen im Windschatten der großen UEFA-EM segeln, erwies sich in der Nachschau als ein echter Medien-Coup mit Berichten von der „Tagesschau“ über die FAZ bis hin zu den heimatlichen Medien der Gast-Mannschaften in Italien und Rumänien. Die Aufmerksamkeit zu den Anliegen und Themen der Minderheiten konnte geweckt und mit persönlichen Geschichten unterstützt werden. Damit wurde das Ziel, Minderheiten sichtbar(er) zu machen und für die deutsch-dänisch-friesische Grenzregion zu werben, voll erfüllt. Dank einer monatelangen, soliden Vorbereitung der Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), dem europäischen Dachverband der Minderheiten, mit den vier Gastgebern (Friesen, Sinti und Roma, Süd- und Nordschleswiger), einem engagierten Orga-Team unter Leitung des Sport-Journalisten Ruwen Möller und jeder Menge freiwilliger Helferinnen und Helfer löste das Turnier im Lauf der sieben Tage sein Versprechen ein, die Szenerie „Between the Seas“ zu bespielen. 

Schon bei der Auslosung der Partien im Dezember in Hadersleben, das weltweit per Livestream übertragen wurde, zeigte sich der Ehrgeiz der Veranstalter, professionell aufzutreten. Die prominenten Schirmherren, Vize-Kanzler Robert Habeck und die Vorsitzende der Region Süddanemark, Stephanie Lose, passten sehr gut dazu. Letztere lässt sich auf der Internetseite zitieren: „Mit der EUROPEADA können wir ein Fenster zur Welt öffnen und zeigen, wie Minderheiten auf beiden Seiten der dänisch-deutschen Grenze in friedlicher Koexistenz leben und erleben, dass sie viel gemeinsam haben.“ Doch könnte es sein, dass die Minderheiten ganz verträglich, aber eben doch nebeneinanderher leben? 

„Ik wust goor ai, dåt dü frasch snååkest“, hörte man zum Beispiel auf der Tribüne. Das Gefühl, Teil der Minderheit zu sein, ist eben nicht so selbstverständlich, wie sich das einige Funktionäre ausmalen. Auch wer Friesisch spricht, muss nicht unbedingt die friesische Identität an die große Glocke hängen oder in Form von Engagement ausleben. Da ist ein niedrigschwelliges Event wie die EUROPEADA eine gute Plattform, um sich in einem Minderheiten-Zusammenhang zu treffen. Die internen Effekte auf die hiesigen Minderheiten, sowohl von der Spieler*innenseite als auch beim Publikum, zählen eindeutig zu den positiven Folgen der Europeada. Dazu gehört unter anderem ein „Live-Ticker“ in Form einer WhatsApp-Gruppe mit über 260 Mitgliedern, unter ihnen Nordfrieslands Kreispräsident Frank Zahel. In der Gruppe wurden die Spiele laufend per Video und Bildern dokumentiert, und kurzfristig auch Fanbusse von Risum zu den Halbfinal- und Finalspielen nach Flensburg organisiert. 

Aber auch die Vernetzungen der angereisten Minderheiten untereinander war deutlich zu spüren. Einige Teams konnten sich kein Hotel leisten und waren dementsprechend bei den Gastgebern untergebracht, so die okzitanische Mannschaft in einer Schule in Risum-Lindholm. Diese Verbindungen können über das eigentliche Turnier Bestand haben, denn die Organisatoren verstanden es, auch den Austausch unter den Teams zu ermöglichen. Nicht zuletzt der Kulturtag am Mittwoch auf dem Knivsberg, wo sich die Minderheiten in Form von Musik, kleinen Ständen und Darbietungen vorstellen konnten, bot dazu reichlich Gelegenheit. Dass dabei wieder einmal die Trachten stellvertretend für die Rechte der Minderheiten ins Bild gesetzt wurden und somit die mediale Exotisierung, fiel dabei gar nicht weiter ins Gewicht; man hatte es einfach nett miteinander. Es ist allerdings erkennbar, dass die Minderheiten diese Klischees gerne bedienen wollen, weil sie damit an Bekanntes anknüpfen können. Die Neugier auf das, was andere machen, konnte also nicht immer gestillt werden. Eine vertiefende Auseinandersetzung hätte aber wohl nicht Charakter der Woche gepasst. Die Weiterführung der Gespräche bleibt den Teilnehmenden überlassen, denn nach Ende der Spiele läuft das Projekt aus, das EUROPEADA-Büro im Flensborghus wird geschlossen und die Veranstalter kehren wieder in ihre eigentlichen Berufe zurück. Ob das Leuchtfeuer zu einer Initialzündung werden kann, wird erst die Zukunft weisen. 

Und sportlich? Nach der Gruppenphase waren es vor allem die Finalspiele der Damen und Herren, die sehr großes Interesse entfachten. In familiärer Atmosphäre wurde im Flensburger Manfred-Werner-Stadion vor großer Kulisse um die Fußball -Europameisterschaft der Minderheiten gespielt. Bei den Männern setzte sich in einem sehr körperlichen Spiel Friûl / Friaul durch und bei den Frauen Südtirol. Herzlichen Glückwunsch an die Siegerinnen und Sieger.

Bei aller Freude wiegt doch der Niveau-Unterschied zwischen den Teams schwer: zweistellige Ergebnisse wie das 11:1 im Damen-Finale, zeigen, wie groß der Unterschied zwischen den Teams war. Sportlich changiert die EUROPEADA ein bisschen zwischen Kneipen- und Verbandsliga. Das ist auch den Ressourcen der Teams geschuldet, von denen Viele ihren Jahresurlaub für die EM einsetzten. Jörg Friedrichsen, Trainer der Frauenmannschaft „Team Nordfraschlönj“ berichtete auf dem Live-Ticker, wie schwer es war, ein friesisches Team zusammenzustellen: „nicht alle wollten, hatten keine Lust, wollten ihre Zeit nicht opfern usw.“ Es wäre schade, wenn die „großen“ Minderheiten das Fußballfest unter sich ausmachen müssten. Eine entsprechende Förderung, ob nun von staatlicher, europäischer oder privater Seite, würde sicherlich die Nachteile ausgleichen. 

In jedem Fall plant Jörg Friedrichsen mit einem Frauenteam zusammen mit den Nord- und Südschleswigern in die Alpenregion zu fahren und mit den Kärntner SlowenInnen und SüdtirolerInnen Fussball zu spielen, zu grillen und Netzwerke weiter auszubauen. Auch hofft Friedrichsen bei der nächsten EUROPEADA – voraussichtlich 2028 – wieder mit Teams Nordfraschlönj an den Start zu gehen. 

Die 5. Europeada ist ein Fest der Vielfalt und des Fußballs

Während die ersten Teams von der UEFA-Fußballeuropameisterschaft in Deutschland bereits wieder abreisen, warten 721 Spielerinnen und Spieler aus 33 Mannschaften in zwölf Ländern sehnsüchtig darauf, dass ihre Europameisterschaften endlich beginnen. Dazu gehören auch die Angehörigen der Volksgruppe der Roma in Rumänien. Sie wollen ihre Mannschaft „zu einer Motivationsquelle für alle jungen Menschen“ ihrer Minderheit machen, schreiben sie auf Facebook. Das Team vereine Spieler, „die mit dem Ball schlafen, mit dem Ball aufwachen, die den Fußball leben, essen, atmen und schwitzen, die aber durch verschiedene Umstände machtlos und allein mit ihrem Traum sind“. 

Der Traum wird wahr

Wenn am 29. Juni die 5. Europeada in Schleswig feierlich eröffnet wird, beginnen alle 33 Teams ihren Traum vom großen Fußballfest gemeinsam zu leben. Für eine Woche ist dann die Fußballeuropameisterschaft der autochthonen Minderheiten in der deutsch-dänisch-friesischen Grenzregion zu Gast. Ab Sonntag rollt der Ball in 14 Stadien „between the seas“ – zwischen Apenrade und Eckernförde, zwischen Tönning und Sonderburg. 

„Es wird wie 2008 in Graubünden, 2012 in der Lausitz, 2016 in Südtirol und 2022 in Kärnten nicht nur spannende Spiele und viele Emotionen geben“, sagte Gösta Toft, Nordschleswiger und Vizepräsident der FUEN, bei der Gruppenauslosung im Dezember. „Es wird ein Fest der Vielfalt“.  Von Beginn an richtet die die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) als größter Dachverband der autochthonen nationalen Minderheiten dieses einzigartige Turnier aus.

Zwei Länder – vier Minderheiten

Zum ersten Mal sind in diesem Jahr zwei Länder und vier Minderheiten gemeinsame Gastgeber des Turniers: die Deutschen in Dänemark, die Dänen in Deutschland, die Nordfriesen sowie die deutschen Sinti und Roma. Ihre Zusammenarbeit steht seit Jahrzehnten sinnbildlich dafür, „dass es kein Widerspruch ist an seiner eigenen Sprache, Identität und Kultur festzuhalten – und offen anderen gegenüber zu sein“, sagt Rasmus Meyer vom Südschleswigschen Verein (SSF), der kulturellen Hauptorganisation der dänischen Minderheit in Deutschland.

Während des Turniers haben inklusive der Betreuer und Betreuerinnen etwa 1.000 Menschen die Möglichkeit, andere Minderheiten kennenzulernen.  „Wenn wir in die Welt schauen, ist es leider wichtiger denn je, dass solche Events stattfinden“, sagt Thore Naujuck, Abteilungsleiter des Deutschen Jugendverbandes für Nordschleswig. „Für Minderheiten bietet die Europeada die Möglichkeit, zusammenzukommen, sich auszutauschen und voneinander zu lernen.“  

Hochklassiger Amateurfußball

Außer einem Fest der Vielfalt ist die Europeada auch ein Fest des Fußballs. Die insgesamt 80 Spiele versprechen hochklassigen Amateurfußball. Die Teams bereiten sich monatelang auf das Turnier vor und werden alles daransetzen, ihre Minderheit würdig zu vertreten.  

Die Zahl der Männerteams ist seit 2008 von 17 auf 24 Mannschaften gestiegen. Neu dabei sind die furlanische Auswahl aus Friaul in Italien, das Team der Deutschen in Tschechien und die Vertretungen der bulgarischen Minderheit sowie der Roma aus Rumänien.  Auch das Frauenturnier ist seit der Premiere 2016 stetig gewachsen und findet erstmals mit neun Teams statt.  Neu dabei sind die Gastgeber aus Nord- und Südschleswig  sowie die Deutschen in Polen, die als FC Oberschlesien auflaufen.

Pionierinnen und Favoriten

Pionierinnen des Frauenfußballs bei der Europeada waren einst die Nordfriesinnen. Als ihre Volksgruppe bei der Erstausgabe des Turniers 2008 keine Männermannschaft stellen konnte, schickte sie eine Frauenauswahl. „Die Herausforderung, Nordfriesland zu vertreten, stand im Vordergrund“, sagt Frank Nickelsen, Geschäftsführer des Friesenrates, Sektion Nord. „Zwar waren die sportlichen Ergebnisse niederschmetternd, dafür erlangten die Friesinnen eine kaum für möglich gehaltene Aufmerksamkeit.“ Berichte in ausländischen Fernsehanstalten und in den Tagesthemen der ARD zeigten, welche Chancen die Europeada für die Öffentlichkeitsarbeit bietet. „Im Zentrum steht aber, für seine Region und seine Identität einzustehen“, sagt Nickelsen.  

Während die sportliche Leistungsfähigkeit der Neulinge schwer einzuschätzen sind, gibt es unter den Stammgästen klare Favoriten. Bei den Männern haben die Südtiroler bislang alle Turniere gewonnen und sind neben den Slowenen in Kärnten und Okzitaniern in Frankreich  wieder hoch einzuschätzen. Auch bei den Damen sind die zweimaligen Siegerinnen aus Südtirol sowie die Titelverteidigerinnen vom Team Koroška aus Kärnten wieder in der Favoritenrolle. 

Die dritte Halbzeit – Public Viewing und viel Kultur

Abends fiebern die Teams beim gemeinsamen Public Viewing in Quartieren mit ihren jeweiligen Heimatländern bei der großen EM mit. Nach Abschluss der Vorrunde ruht der Ball am Mittwoch für einen Tag. Dann lernen sich die 24 Minderheiten beim Kulturtag auf dem Knivsberg in Nordschleswig noch von ganz anderen Seiten kennen. 

„Deswegen finde ich die Europeada so schön: Es geht um die Sache, es geht um Leidenschaft für den Fußball, es geht um Fairness und Toleranz und darum, dass jeder ein Teil des Ganzen ist“, sagt Europeada-Botschafter Mads Buttgereit, der als Südschleswiger selbst in zwei Kulturen aufgewachsen ist. Als Co-Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft ist Buttgereit im Moment allerdings nicht zwischen Apenrade und Eckernförde, sondern zwischen München und Berlin unterwegs. 

Interfriesischer Kongress auf Sylt – Arno Ulrichs zum neuen Präsidenten gewählt

Die Friesen wollen ihre Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg ausbauen und sich stärker in Europa einbringen. Das ist eine der wesentlichen Schlussfolgerungen des Friesenkongresses, der jetzt auf Sylt stattfand. Der Kongress stand unter dem Motto „Guter Freund komm herein“ (auf Sylter Friesisch „Gur Frinj kum iin!“).

Veranstalter der Friesenkongresse, die im dreijährlichen Turnus einberufen werden, ist der Interfriesische Rat. Der Interfriesische Rat ist ein Zusammenschluss der drei Friesenratssektionen aus Nord-, Ost- und Westfriesland. Maßgeblich vorbereitet wurde der Kongress von der vor 14 Tagen plötzlich verstorbenen Präsidentin Ilse Johanna Christiansen aus Nordfriesland. Der Kongress gedachte ihr in einer Schweigeminute.

Begrüßt wurden die gut 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der stellvertretenden Landtagspräsidentin des Landes Schleswig-Holstein, Eva von Kalben. In der anschließenden Mitgliederversammlung wurde der Staffelstab beim Vorsitz des Interfriesischen Rates turnusgemäß von der Sektion Nord an die Sektion Ost weitergereicht. Arno Ulrichs, Vorsitzender der Sektion Ost, wird als Präsident für die nächsten drei Jahre den Interfriesischen Rat leiten. Ulrichs kündigte in seiner Antrittsrede an, die Außenwirkung des Interfriesischen Rates zu erhöhen. Der Interfriesiscbe Rat will zudem die Erfahrungen und Kenntnisse seiner länderübergreifenden Arbeit verstärkt in die europäische Ebene einbringen.

Die inhaltliche Arbeit des Kongresses begann mit einem Festvortrag von Professor Thomas Steensen zur Geschichte des Interfriesischen Rates. Es folgten weitere Vorträge u.a. von Dr. Christoph Schmidt  vom Nordfriesischen Institut), von Professor Nils Langer von der Europa Universität Flensburg sowie von Professor Martin Klatt vom European Centre for Minority Issues. Unter Leitung von Hanna Schnittger wurde in einem Workshop zudem ein interfriesischer Chor etabliert. 

In einer einstimmig angenommenen Resolution verurteilten die Delegierten des Interfriesischen Rates die „kürzlich in Kampen auf Sylt skandierten ausländerfeindlichen Party-Parolen .“ Die Friesen sehen darin eine besorgniserregende Entwicklung. „Ausländerfeindliche und ultra-nationalistische Parolen“ dürften gerade auch auf Sylt keinen Platz haben, „wo neben der deutschen seit jeher auch die friesische Sprache und Kultur zu Hause ist“. Rechtsextremes Gedankengut richte sich erfahrungsgemäß „gegen die Rechte autochthoner Minderheiten und Volksgruppen. Auch dieser Gefahr gilt es vorzubeugen.“

Der Kongress schloss mit einem friesischen Gottesdienst  in der Kirche St. Severin zu Keitum. Für das nächste Jahr lädt der Interfriesische Rat wieder zum traditionellen „Friesendroapen“ (Friesentreffen) auf Helgoland ein (Ende Mai). Außerdem soll zum 100jährigen Jubiläum an den ersten Friesenkongress erinnert werden, der 1925 in Jever stattfand.

Bildunterschrift: Sie bilden den neuen Vorstand des Interfriesischen Rats (von links nach rechts): Jan Dijkstra (Westfriesland, erster stellv. Vorsitzender), Dieter Baumann (Ostfriesland, Schatzmeister), Arno Ulrichs (Ostfriesland, Präsident), Heinrich Bahnsen (Nordfriesland, zweiter stellvertr. Vorsitzender), Saapke Miedema (Westfriesland, Beisitzerin) und Gudrun Fuchs (Nordfriesland, Schriftführerin).  Bild: privat